Vereinigungsdelikte als Repressionsmittel der Herrschenden gegen revolutionäre Organisationsansätze hat im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition. So gehen die Ursprünge der heutigen §§129 a/b StGB “Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigung (im Ausland)” bereits auf die deutsche Kaiserzeit zurück.
Bereits im Reichsstrafgesetzbuch aus 1871 wurde so die Kriminalisierung der organisierten Arbeiter*innenbewegung durch Verbote gegenüber der revolutionären Sozialdemokratie manifestiert. Im Faschismus wurde dies nur noch weiter verschärft und endete für viele tödlich.
Auch nach 1945 wurde der Paragraph 129 wieder in das “politische Strafrecht” aufgenommen, Vorlage hierfür war die Fassung von 1936. In Anbetracht der aufstrebenden KPD im Nachkriegsdeutschland und starken kommunistischen Bewegungen und revolutionären Kämpfen überall auf der Welt schafften sich die westlichen Alliierten und ihre deutschen Verbündeten wieder die Möglichkeit, gegen revolutionäre Organisationen vorzugehen. Dies zieht sich dann auch durch die Geschichte.
Am 17. August 1956 wird die KPD verboten; es folgen die FDJ und über 200 vermeintliche Unter- oder Nachfolgeorganisationen. Zwischen 125.000 und 200.000 Verfahren werden über Mitglieder und Funktionäre eingeleitet und die Grundlage für unzählbare Berufsverbote geschaffen.
Im Zuge des Erstarkens der Stadtguerilla kommt es 1976 zur Verschärfung des §129 und zur Einführung des §129a “Bildung einer terroristischen Vereinigung”.
Auch die Werbung und Unterstützung werden nun strafbar und mit dem §129a wird die Verfolgung bereits auf die “Vorbereitung” von Straftaten ausgeweitet. Damit schaffen sich die Repressionsbehörden die Befugnisse für weitreichende Ermittlugnsmittel und geheimdienstliche Methoden. Im gleichen Zuge kam es zu weiteren Gesetzesverschärfungen, die die juristische Verteidigung einschränkten und die Situation von politischen Gefangenen verschlechterte. Verfahren gegen die RAF, die “Bewegung 2. Juni”, später gegen die RZ / Rote Zora oder die militante gruppe(mg) prägen die weitere Geschichte der Repression.
Im Zuge der Sicherheitshysterie nach dem 11. September 2001 wurde der Paragraph um §129b “kriminelle bzw. terroristische Vereinigung im Ausland” erneut erweitert. Er stellte in den Jahren seitdem, den Schwerpunkt der Verfahren gegen Linke in Deutschland. Jährlich werden mehrere Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK, gegen die DHKP-C oder gegen die TKP-ML in München geführt. Ebenfalls konstant werden die “Liberation Tigers of Tamil Ealam” verfolgt. Der Paragraph 129b hat sich dadurch, dass es einer Verfolgungsermächtigung aus dem Justizministerium für eine Ankalge bedarf, zu einem wirksamen Instrument deutscher Außenpolititk entwickelt. So hängt es von dieser ab, inwieweit Befreiungsbewegungen anderer Läner in der BRD als “terroristisch” eingestuft werden oder nicht.
Das die Verfolgung migrantischer, revolutionärer Strukturen in den letzten Jahren den Schwerpunkt an Vereinigungsdelikten dargestellt hat, liegt auch daran, dass diese Strukturen in der linken Bewegung isolierter sind und zusätzlich eine geringere gesellschaftliche Basis besitzen. Mit dem öffentlich werden mehrerer §129-Verfahren gegen die deutsche Linke in 2020 (Roter Aufbau Hamburg, in Frankfurt, Leipzig oder Berlin und jüngst ebenfalls gegen Antifas aus Leipzig) hat sich dieser Trend geändert. Die Herrschenden bereiten sich momentan auf eine weitere Verschärfung der kapitalistischen Krise vor, in deren Zuge sich gesellschaftliche Widersprüchen ebenfalls weiter zuspitzen werden und linke Perspektiven jenseits des Kapitalismus schnell an Zuspruch gewinnen könnten. Mit der verstärkten Anwendung von Vereinigungsdelikten wird präventiv versucht, dem ein Riegel vorzuschieben, die Entwicklung linker Strukturen zu verhindern und gleichzeitig die gesamte linke, revolutionäre Bewegung als kriminell zu dikreditieren. In diesem Kontext muss auch das Verbot, der linken Medienplattform “linksunten.indymedia”, die Repression gegen die VVN-BdA sowie die Verbotsforderungen der Roten Hilfe gesehen werden.